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WAT22: Eröffnungsveranstaltung – Diskussion zum Thema „Zukunft bewahren! Erhalt des Kulturerbes als Daueraufgabe“

Der 73. Westfälische Archivtag musste aufgrund der Corona Pandemie das zweite Jahr in Folge als interaktive Online-Fachtagung stattfinden.

Zu Beginn der zweitägigen Tagung begrüßte Herr Dr. Marcus Stumpf, Leiter des LWL-Archivamtes für Westfalen, die 420 Teilnehmer:innen und stellte kurz das Programm vor. Dabei machte er auch darauf aufmerksam, dass es zu einer Programmänderung gekommen war und sich der Einführungsvortrag von Frau Dr. Johanna Leissner vom Frauenhofer-EU-Büro in Brüssel zum Thema „Auswirkungen des Klimawandels auf die Erhaltung des Kulturellen Erbes“ vom Dienstag auf Mittwochvormittag verschoben hatte.

Der Westfälische Archivtag begann dann anschließend mit einer Diskussion zum Thema „Zukunft bewahren! Erhalt des Kulturerbes als Daueraufgabe“. Dafür begrüßte Herr Dr. Stumpf die LWL-Kulturdezernentin Frau Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, Frau Dr. Ursula Hartwieg von der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes (KEK) und Herrn Dr. Fred van Kan vom Gelders Archief in Arnhem.

Zunächst griff Herr Dr. Stumpf den Begriff „Zukunft bewahren“ auf und verwies dabei auch auf die neuen Herausforderungen durch Flutkatastrophen oder Kriege in Bezug auf die Sicherung und Erhaltung von Kultur- bzw. Archivgut. Allgemein stand die Diskussion stark unter dem Einfluss der aktuellen Ereignisse rund um den russischen Krieg gegen die Ukraine und der Zerstörung von Kulturgütern als Folge des Krieges.

Als erstes ging es dann um die ganz simple Frage „Wie retten wir Kulturgut und vielleicht auch vor allem vor dem Hintergrund des Krieges?“. Frau Dr. Rüschoff-Parzinger erklärte hierzu, dass es sehr wichtig sei frühzeitig Überlegungen anzustellen, wie man Kulturgut auch in Krisenzeiten sichern kann. Der Krieg in der Ukraine zeige, dass es in Extremsituationen sehr schnell gehen könne und man im schlimmsten Fall keine Vorbereitungszeit hat, um kulturelle Güter und Archivgut zu sichern. Außerdem merkte sie an, dass es noch nicht klar sei, ob die verübten Zerstörungen und Beschädigungen an Kulturgut Kollateralschäden seien oder sogar bewusst vorgenommen wurden und werden, um dem ukrainischen Volk die eigene Identität und Geschichte zu rauben. Genaue Pläne, wie konkrete Hilfe für ukrainische Kultureinrichtungen aussehen könnte, gebe es noch nicht, da in der jetzigen Situation der Schutz und die Versorgung der Menschen an oberster Stelle steht.

Herr Dr. van Kan ging anschließend auf die Resolution des Internationalen Archivrates zum Krieg Russlands gegen die Ukraine ein und nannte auch weitere Organisationen, wie z.B. Blue Shield International, die sich um den Schutz von Kulturgut vor den Auswirkungen von Kriegen, bewaffneten Konflikten und Katastrophen kümmern.

Außerdem wurde angemerkt, dass Kultureinrichtungen während Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen immer in Gefahr seien, auch in Europa und man sich dieser Gefahr bewusst sein müsse.

Als nächstes lenkte Herr Dr. Stumpf den Blick auf die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes und wandte sich mit der Frage nach der Rolle der KEK in Bezug auf den Schutz von Kulturgut in Krisenzeiten, an Frau Dr. Hartwieg. Diese betonte zunächst, dass ein internationaler Austausch wichtig für grenzübergreifende Unterstützung und Vernetzung sei. In Demokratien brauche es einen freien Zugang zu Wissen und dementsprechend auch zu schriftlichen Quellen. Die Erhaltung von Schriftquellen sei nicht nur Aufgabe von Einrichtungen, wie etwa der KEK, sondern eine gesamtgesellschaftliche. Eine Entscheidung über konkrete Aufgaben der KEK zum Schutz von schriftlichen Kulturgut in Krisenzeiten, wie etwa kriegerischen Auseinandersetzungen, liege beim Bund und den Ländern, so Hartwieg.

Herr Dr. Stumpf merkte an dieser Stelle an, dass in den Magazinen der Archive die generationenübergreifende geistige Heimat einer Gesellschaft bewahrt wird und auf die auch zukünftigen Generationen zurückgreifen können sollen. Daher muss man sich auch immer die Frage stellen, was man erhalten will und was nicht.

Frau Dr. Rüschoff-Parzinger erklärte hierzu, dass die Aufbewahrungsbedingungen laufend aktualisiert werden müssen, z.B. im Hinblick auf Fotos und Filmaufnahmen, um eben Kulturgut für die Zukunft, aber auch für die eigene Identität zu bewahren. Für die Identität einer Gesellschaft seien aber nicht nur die Erhaltung von schriftlichen Quellen wichtig, sondern auch die von baulichen Kulturgütern, wie etwa Schlössern. Die Erhaltung dieser sei sehr wichtig für die Zukunft. In diesem Zusammenhang lenkte sie den Blick auf die Neuauflage des Denkmalschutzgesetz NRW. Diese sei äußerst problematisch, da dadurch quasi jeder mit einem Denkmal machen könne, was er wolle. So werde es z.B. möglich in Schlösser Kunststofffenster einzusetzen oder die Fassade baulich zu verändern.

Herr Dr. Stumpf stimmte Frau Dr. Rüschoff-Parzinger zu und merkte an, dass das Denkmalschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen auch nur der Anfang für weitere Veränderungen im Hinblick auf den Umgang mit Kulturgütern sein könnte.

Anschließend lenkte er den Blick in die Niederlande und wandte sich an Herrn Dr. van Kan. Die Niederlande sei weiter als Deutschland im Bereich der Digitalisierung, so Herr. Dr. Stumpf und warf die Fragen in den Raum, ob die Nutzung von Archivgut in den Niederlanden in naher Zukunft nur noch digital stattfinden und es nur noch ein oder zwei Zentralarchive geben würde. Herr Dr. van Kan verneinte dies und erklärte, dass das Archivgesetz die Erhaltung der Originale stark berücksichtigt und die Originale auch weiterhin einen hohen Wert für Museen hätten. Außerdem gebe es viele Menschen, die gerne das Original in echt einsehen und nicht nur in digitaler Form am PC.

Als nächstes kam die Frage auf, ob man sich Sorgen machen müsse, dass sich die finanziellen Mittel in Zukunft auf die Digitalisate und nicht mehr auf die Originale konzentrieren werden. Frau Dr. Hartwieg erklärte hierzu, dass sie nicht glaube, dass man sich da zu große Sorgen machen müsse, da das Original trotz fortschreitender Digitalisierung weiterhin wichtig bleibe. Es gebe auch weiterhin viele Dinge, die man digital nicht darstellen könne und außerdem werden die Originale in Zukunft wahrscheinlich noch öfters neu eingescannt werden müssen, aufgrund von technischen Umstellungen und Fortschritten.

Danach stellte Herr Dr. Stumpf nochmal die Frage auf, was bislang konkret getan wird, um Kulturgut vor Flutkatastrophen, dem Klimawandel, Krieg oder anderen Ereignissen, wie etwa dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs, zu schützen. Er nannte in diesem Zusammenhang die Einrichtung von Notfallverbünden und auch politische Initiativen, die aber oft geprägt sind von aktuellen Ereignissen und nicht langfristig Bestand haben.

Frau Hartwieg erklärte hierzu, dass die KEK durchaus präventive Maßnahmen vornimmt, allerdings sei der Auftrag der KEK das schriftliche Kulturgut zu schützen und nicht die Gebäude. Allgemein sei es aber unglaublich wichtig nicht nur das Magazin an sich zu sehen, sondern das gesamte Gebäude und seine Bauweise.

Abschließend wurde noch die Frage aufgeworfen, wie es gelingen kann richtige Aufbewahrungsgrundlagen zu schaffen. Frau Dr. Rüschoff-Parzinger erklärte hierzu, dass es wichtig sei in Zukunft keine Fehler mehr, im Hinblick auf beispielsweise die Bauweise von Archiven, zu machen. Es sei wichtig ein Bewusstsein für die Grundsicherung von Kulturgut zu schaffen, vor allem auch in der Politik. Man sei auf einem guten Weg ein stärkeres Bewusstsein für die Wichtigkeit von Archivgut für die eigene Identität zu schaffen, denn ohne eine Vergangenheit könne es auch keine Zukunft geben. Man muss den Kontakt zur Politik aufrechterhalten und Lobbyarbeit betreiben, wie z.B. durch regelmäßige Berichte oder Vorträge in entsprechenden Ausschüssen.

 


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
alzagerman (15. März 2022). WAT22: Eröffnungsveranstaltung – Diskussion zum Thema „Zukunft bewahren! Erhalt des Kulturerbes als Daueraufgabe“. archivamtblog. Abgerufen am 7. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/cjmx


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